So wie früher zu Ihrem Vater Krok, kommen jetzt Leute aus Nah und Fern zur Libuše, um Ihre Streitigkeiten durch Ihren Richterspruch zu lösen. Die Klugheit und Gerechtigkeit der Fürstin wird vom Volk hochgepriesen und sie kann viele Fehden beilegen.
Unter dem männlichen Volk wächst aber der Widderwille, von einer Frau regiert zu werden. Und so schickt Libuše Boten ins weite Land, um das ganze Volk zusammen zu rufen. Zum gesetzten Zeitpunkt, nach der Haupternte, kommt eine Riesenmenge an Vertretern aller Stämme aus allen Ecken des Landes.
Da beklagt die Fürstin den Undank des Volkes gegenüber Ihrer liebevollen und milden Herrschaft. Es soll aber nach dem Willen des Volkes geschehen, es soll eine strenge unnachgiebige männliche Hand regieren und die Schmach, einer Frau gehorchen zu müssen, zu Ende sein.
Die Bekanntgabe seines Namens und des Ortes seines Verweilens wird lauthals gewünscht. Libuše beschreibt den Weg zu dem Mann, der hinter den Bergen am kleinen Fluß Bělina, im kleinen Ort des Geschlechts Stadic mit zwei Ochsen die Felder pflügt und den Namen Přemysl trägt. Keine große Suche ist notwendig, das Pferd der Fürstin führt die Abgesandten, die dem Volk den neuen Fürst und Libuše Ihren Gatten bringen sollen.
Und so wird in und unter der Burg Vyšehrad die Hochzeit und die Wahl des neuen Fürsten ausgiebig gefeiert. (Zum Gedenken an seine bäuerliche Herkunft bewahrt Přemysl seine Schuhe aus dem Lindenbast im Fürstengemach, was auch vom tchechischen Chronikschreiber Kosmas bestätigt wird. Die Schuhe bleiben bis zum 15. Jahrhundert, bis zu den Hussitenkriegen erhalten.)
Libuše übergibt Přemysl den Burgschatz, zeigt ihm die Burg und die Heiligstätte im Garten, die vom Glanz des Silberkopfes des tschechischen Naturgottes Perun beherrscht wird. Hier entstehen viele Gesetze, mit denen Přemysl das Volk wieder zähmt und seine Nachfolger das Land für langes Zeitalter verwalten.
Hellseherin Libuše
Quelle: Wikipedia, Autor: Josef Mathauser (1846-1917)
Eines Tages steht Libuše mit Ihrem Mann und dem Gefolge auf dem Burgfelsen hoch oberhalb der Moldau, hebt die Hände in Richtung über den Fluß zu dem langen bewaldeten Hügel und spricht fast abwesend mit dem in die Zukunft sehenden Blick:
Eine große Stadt sehe ich, ihre Herrlichkeit wird die Sterne berühren. Dort im Wald ist ein Platz, vom Fluss Moldau umspült. Dort, wenn Ihr ankommt, findet Ihr einen Menschen, der gerade seine Hausschwelle (tschechisch Prah) zimmert. Nun nennt die Burg, die Ihr dort bauen werdet *Praha*. Und wie Fürsten und Herrscher ihre Köpfe an der Hausschwelle neigen, werden sie sie auch vor meiner Stadt neigen.
Und es wird von den Nachkommen dann eine Burg gebaut, eine Festung, Praha genannt, die neben Vyšehrad nun das ganze tschechische Land beherrscht.
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